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- Rede von Peter Neuhof im Rathaus Treptow zum 80. Jahrestag der NS-Pogromnacht von 1938
- »Stolpern« heißt auch darauf stoßen

Rede von Peter Neuhof im Rathaus Treptow zum 80. Jahrestag der NS-Pogromnacht von 1938
Ein paar Worte, Gedanken von einem, der mit viel Glück die braunen Jahre überlebt hat, auch weil es Menschen gab, die nicht mit Hitler paktierten, die mich in dieser grausamen Zeit unterstützen, mir Mut gaben, die ihre Menschlichkeit bewahrten. Es war die Zeit, in der so viele verfolgt wurden, besonders Juden. Deutschland vor 80 Jahren. Deutschland am 8.und 9. November 1938. Es fällt mir nicht leicht daran zu erinnern wenn ich an die vielen Angehörigen meiner Familie denke, die Opfer des Rassenwahns der Faschisten wurden. Und doch war das damals nur ein Vorspiel von dem was noch kommen sollte. Ein grausames. Synagogen brannten, Nazimob tobte sich aus, auf Befehl, brandschatzte, mordete. In aller Öffentlichkeit. Ein jüdischer Junge hatte in Paris einen Nazidiplomaten niedergeschossen, verzweifelte Antwort in einer schier ohnmächtigen Zeit.
Für die Nazis wie gerufen. Geheimes Fernschreiben vom 9. November an alle Stapo – Stellen und Stapo – Leitstellen: “Es werden in kürzester Frist in ganz Deutschland Aktionen gegen Juden, insbesondere gegen deren Synagogen stattfinden. Sie sind nicht zu stören” und weiter: “Es ist vorzubereiten die Festnahme von 20- 30 000 Juden”. Dann begannen die Stunden für die zusammengetrommelte SA und HJ. Das war nicht spontaner Volkswille, wie die Zeitungen zu lügen wussten. Aus dem Tagebuch von Goebbels, dem Minister für Volksaufklärung und Propaganda, dem Einpeitscher jener Tage. “Der Führer hat angeordnet, dass 20 – 30 000 sofort zu verhaften sich… In Berlin brennen 5, dann15 Synagogen ab. Jetzt rast der Volkszorn.. Laufen lassen. Als ich ins Hotel fahre, klirren die Fensterscheiben. Bravo! Bravo! Wie alte große Hütten brennen die Synagogen“. Goebbels aus München, dort trafen sich die die “Alten Kämpfer”, “Gestern Berlin. Dort ist es ganz toll vorgegangen. Brand über Brand. Aber das ist gut so.” Terror vor aller Augen in Deutschland. Jeder konnte es sehen, aber allzu viele sahen weg, überhörten die Schreie der Gedemütigten, der Gequälten, mit denen man seit Generationen zusammengelebt hatte. Geschah es aus Angst, aus Scham oder weil man es billigte? Doch in jenen Tagen gab es nicht nur das Gebrülle der Nazis, nicht nur das betretene Schweigen so vieler, es gab eben auch das Mitgefühl, auch Hilfe. Aber das leben jüdischer Menschen war nur noch ein leben in Angst. Was bringt der morgige Tag? Bestimmte Straßen durften nicht mehr betreten werden. In Berlin wurden ganze Viertel gesperrt. Der Bann erstreckt sich auf Kinos, Theater, Konzertsäle, Sportplätze. Auf Parkbänken erschien Schilder “Für Juden verboten ”. Städte, Dörfer wiesen darauf hin, dass sie judenrein seien. Es gab nichts, was die Nazis in ihrer rassistischen Hetze ausgelassen hätten. Triumph des Willens hieß ein Propaganda – Film der berüchtigten Leni Riefenstahl über den Reichsparteitag 1935. Triumph der Nazis über den Verstand der Menschen. Triumph der Unmenschlichkeit. Jene, die rechtzeitig auf die verbrecherische Absichten der NSDAP gewiesen hatten, waren längst politisch ausgeschaltet, selbst Opfer. Und die Kirchen schwiegen. Bis auf wenige Stimmen. Die Juden sollten und mussten für die Verbrechen, die an ihnen Verübt wurden auch noch zahlen. Zynismus ohne gleichen. Göring, einer der brutalsten Gefolgsleute Hitlers, ordnete an: Eine Milliarde Reichsmark Kontribution. Das Geld floss in die klammen Kassen der Nazis, die Geld für ihre Aufrüstung dringend benötigten. Europa schwieg, sah zu. Das werde schon vorübergehen. Es war die Zeit des Appeasement, der Beschwichtigungspolitik. Hitler bekam freie Bahn. Was zählten da schon die vielen Toten, die Ermordeten vom November 1938. Und doch war Auschwitz schon ganz nah. Hitler rüstete auf. Panzer, Flugzeuge, Kanonen. Zog die Wehrmacht nicht bereits im März 1938 mit klingendem Spiel ins entmilitarisierte Rheinland ein? Kehrte nicht Österreich “Heim ins Reich” wurde die CSR nicht zerstückelt und wenig später überfallen? Gab es nicht das schändliche Münchener Abkommen? Die Braunen ließen nie Zweifel darüber aufkommen, was sie mit den Juden vorhatten. Sie grölten es nicht nur auf den Straßen, “wenn’s Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s uns noch mal so gut”, sie dokumentierten es in Verordnungen, in Gesetzen, sie schrieben darüber, sie hetzten in der Presse, sie geiferten in ihren Reden. Kaum die Macht an sie übertragen, riefen sie 1933 zum ersten Boykott auf. Juden wurden Freiwild, verfolgt, Gekennzeichnet, Judenstern, Berufsverbote, Zwangsarbeit, Zwangsnamen. Kaum ein Monat ohne neue Erniedrigungen. Deutschland erwache, so hieß es doch. Auch die zukünftige deutsche Elite begann aufzuwachen und das hieß: Juden raus aus, wo immer sie lehrten, wer immer sie waren. Thesen wider den undeutschen Geist wurden im April 1934 an der Berliner Universität angeschlagen. “Der Jude kann nur jüdisch denken, schreibt er deutsch, dann lügt er. Der Deutsche, der deutsch schreibt, aber undeutsch denkt, ist ein Verräter. Der Student, der undeutsch schreibt und spricht, ist außerdem gedankenlos und wird seiner Aufgabe untreu.” Kommende deutsche Elite wurde so vorprogrammiert, für die kommenden Aufgaben. Und dazu gehörte auch dass, Zitat: der “undeutsche Geist aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt wird”. Ausmerzen, aus der Sprache der Undeutschen, der Nazis. Und es vergingen nur noch einige Jahre, dann wurden Menschen ausgemerzt, Millionen Menschen, für die in einem zukünftigen Nazi – Europa kein Platz mehr sein sollte. Eben Endlösung genannt. Millionenfacher Mord an Juden, Polen, sowjetischen Bürgern – Untermenschen genannt – geplant und durchgeführt. Juden in Deutschland waren längst keine Reichsbürger mehr. Und Auschwitz rückte immer näher. Also nur weg aus diesem Deutschland. Auswandern! Aber wohin. Fragen über Fragen und kaum Antworten. Wer konnte wanderte aus oder versuchte es. Viele, allzu aber hatten noch Illusionen, wussten nicht wie und wo sie im Ausland leben sollten. Verzweifelung wohin man hörte. Wer nimmt uns auf? Juden? haben wir nicht genug Probleme im eigenen Land. Und jetzt noch Juden aufnehmen? So dachten und handelten viele Politiker. Die Grenzen wurden immer unüberwindbarer. In den USA wurde eine Bürgschaft verlangt, ein sog. Affidavit. Und wenn man niemanden hatte, der für einen bürgte? Andere verlangten für die Einreise einen Arier Nachweis. Wie sollte ein Jude den erbringen. Schweizer Politik erreichte, dass Pässe von Juden, wenn sie denn noch welche besaßen, mit einem J versehen wurden, um sie zu erkennen und damit abweisen zu können. Nur weg aus diesem Deutschland, das einmal deine Heimat war. So dachten viele. Auch meine Eltern, die so lange gezögert hatten. War mein Vater nicht Kriegsteilnehmer, zweimal schwer verwundet, hatte er nicht von Wilhelm dem 2. das EK überreicht bekommen. Zählte das nicht mehr? Es zählte nicht mehr. Der Jude Neuhof, war er nicht auch noch Kommunist? Ein bisschen viel in dieser Zeit. 1935 ist Brasilien nicht das Land der Träume aber hoffentlich ein Zufluchtsort. Endloses Warten auf eine Antwort. Aber wer brauchte schon den Mitarbeiter einer Getreide Export und Import Firma, der mein Vater war. Ja, wäre er Arzt oder Ingenieur. Auch Frankreich nicht mehr zu erreichen. Wir besaßen keine Pässe. Frankreich und Großbritannien verlangten für die Einreise ein Visum, auch Belgien, andere Länder ebenfalls. Aber ohne Pässe? Die Zeit lief davon. Schließlich das Ausreiseverbot. Die “Endlösung “kam immer näher. Für Karl Israel Neuhof, wie sich mein Vater nun nennen musste, endete das Berufsleben als Zwangsarbeiter in der Judenkolonne der Farbenfabrik Warnecke und Böhm in Weißensee. Ihm blieben noch fünf Jahre der Erniedrigung bis zu seiner Ermordung im KZ Sachsenhausen. In England fanden in letzter Minute 10 000 jüdische Kinder eine neue Heimat, eine sichere Zukunft. Ihre Eltern sahen sie nie wieder. Ich stand auch auf der Liste. Meine Eltern ließen mich nicht fahren. Hofften sie immer noch, es werde nicht so schlimm kommen? Juden unter dem Hakenkreuz. Juden im Reich der Barbaren. Der größte Völkermord in der Geschichte der Menschheit begann planmäßig zu verlaufen, um ein Lieblingswort der Naziführung zu gebrauchen. Alles geschah planmäßig. Auch die Züge in die Vernichtungslager fuhren planmäßig. Sie sollten ja auch für den Sieg rollen, die Räder. So stand es jedenfalls auf den Lokomotiven. Es dauerte Jahre bis sie endlich rückwärts rollten und schließlich zum Stehen kamen , weil alles in Trümmern lag. Endlich. Kaum ein Jude der diese Zeit, die Zeit der Befreiung erleben durfte. Die Endlösung erfolgte preußisch korrekt… Wie ging das vor sich? Deportationsbescheid, Auflösung der Wohnung. Verkauf, was noch zu verkaufen war, Abschied von einem Leben, das schon lange keines mehr war. Judensachen billig zu haben. Die Gelegenheit. Mitleid? Keiner fragte. Eine so günstige Gelegenheit kam so schnell nicht wieder. Zeit der Kriegswirtschaft 1941,1942. Was an Mobiliar noch übrig bleibt, wird billig an die “Volksgenossen versteigert. Alles aufgelistet in einer 16 seitigen Vermögenserklärung. Es muss schon seine Ordnung haben… Die Wohnung versiegelt, der neue Mieter fragte nicht und wenn doch, Judenwohnung, na und !! Im Berliner Westen, in der Levetzowstr. stand einst ein jüdisches Gotteshaus, eine Synagoge. In der Pogromnacht geschändet, verwüstet, angezündet. Nur Trümmer blieben zurück. Vier Jahre später wurden die jüdischen Bewohner der Stadt von hier aus, dem Sammellager, in den Tod getrieben. In 46 sog. Osttransporten der Deutschen Reichsbahn mit SS Begleitung. Ausschleusung genannt. Alles geschah in aller Öffentlichkeit, von den Güterbahnhöfen Putlitzstraße und Grunewald. Am hellen Tage. Jeder konnte es sehen, wenn er gewollt hätte. Proteste oder öffentlich gezeigtes Mitleid hätten die Begleitkommandos nicht tatenlos hingenommen aber sie wären ein Zeichen gewesen. Es blieb aus. Das setzten mutigen Frauen an jenem 27 Februar 1943 bei der sog. Fabrikaktion als ihre jüdischen Männer -längst Zwangsarbeiter- verhaftet wurden mit dem Ziel sie zu Befestigungsarbeiten am Atlantikwall kaserniert einzusetzen. Diese Frauen, ihre Zahl wird unterschiedlich angegeben, forderten in der Rosenstr, einem Haus der Jüdischen Gemeinde, dort waren ihre Männer inhaftiert, lautstark deren Freilassung mit denen sie in sog. Mischehe lebten. Die Gestapo fürchtete wohl zum ersten Mal ein Übergreifen eines derartigen Protestes und ließ die Männer ”frei”. Mit der Stimmung in Deutschland stand es nicht gerade zum Besten, mit den Nazis ging es bergab, die Schlacht von Stalingrad war gerade geschlagen und verloren. Da konnten Proteste leicht gefährlich werden, ja, wenn der Funke übergesprungen wäre, wenn Hunderttausende Frauen gefordert hätten. Schluss mit dem Krieg, wir wollen unsere Männer wieder haben. Ja, wenn.
In Deutschland waren keine Wahnsinnigen am Werke, hier planten die Nazis bürokratisch exakt einen Völkermord, auf der Wannseekonferenz beschlossen, und damit die Gaskammern und Krematorien von Auschwitz.
1933 feierten die Nazis die Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin. Reinigung vom “undeutsche Geist” genannt. Die Zeit des braunen Geistes war angebrochen. Literatur auf dem Scheiterhaufen, auch und natürlich Heinrich Heine. Als hätte er das Kommende geahnt, prophezeite er “Dort, wo man Bücher verbrennt“, er meinte ein Treffen der Burschenschaften auf der Wartburg, bei dem auch Bücher jüdischer Herkunft den Flammen übergeben wurden, “dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.” Das sollte den Nazis vorbehalten bleiben. Die Welt reagierte zu spät und mit Entsetzen. Nicht die ganze Welt muss gesagt werden. Als die Nazis auch im überfallenen Dänemark vorhatten, die dort lebenden Juden zu deportieren, d.h. in die Vernichtungslager zu schicken, begann eine einzigartige Rettungsaktion der dänischen Bevölkerung. Innerhalb von wenigen Stunden gelang es unzähligen Helfern 7000 jüdische Bewohner Dänemarks mit großen und kleinen Booten nach Schweden in Sicherheit zu bringen. Unvergessen.
Hitler und seine Helfer – es waren allzu viele – wollten Europa neu ordnen. Juden sollten darin keinen Platz mehr haben. Da muss ein Mann genannt werden – er wird später noch eine Rolle spielen – der sich nie die Hände schmutzig gemacht hatte und doch die Mitverantwortung für der Mord an den Juden trug. Er kommentierte die berüchtigten Nürnberger Gesetzte, an deren Entstehung er bereits mitgewirkt hatte. Ja, das war der Dr. Globke, der spätere und unentbehrliche Staatssekretär von Bundeskanzler Adenauer. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, der Schwur der Überlebenden aus den Lagern der Braunen. Die Geschichte lief anders, jedenfalls anders dort wo ich lebte. Im Westen der Stadt. Die Braunen kamen schnell wieder, sie färbten sich um, es wurde ihnen leicht gemacht. Nur soviel: Das berüchtigte Gesetz 131 öffnete unzähligen von ihnen – wären es nur die kleinen gewesen – die Rückkehr in Amt und Würden. In die Verwaltung, in die Polizei, in die Justiz und und und. Und was wurde aus Tätern wenn sie endlich einmal vor Gericht standen? Ich meine nicht Eichmann, so sehr darüber Genugtuung herrschte. Endlich einer der Haupttäter vor Gericht, aber Globke durfte nicht erwähnt werden. Ein Deal, Waffen, Wirtschaftshilfe gegen Schweigen. Zu einem Prozess der vor Jahren in Moabit stattfand, gegen einen Mann, der 30 000 Berliner Juden ins Gas geschickt hatte. Gemeint ist der Stellvertreter bezw. Leiter der Gestapoleitzentrale Berlin, Dr.Venter. Ich habe den Prozess vom Anfang bis zum Ende mitverfolgt. Venter, SS Sturmbannführer und Regierungsrat ein nach 45 wohlhabender Geschäftsmann aus Neuwied am Rhein, ein Schreibtischtäter. Aber es galt nunmehr nach tatbezogenen Merkmalen zu urteilen nicht mehr nach täterbezogenen. Eine Neufassung des Paragraphen 50 Absatz 2 des Strafgesetzbuches machte das möglich. Was ursprünglich für Verkehrsdelikte gedacht war, führte zu einer Amnestie für NS – Verbrecher. Das Ergebnis nach monatelanger Verhandlung – Freispruch. Es hätten keine niedrigen Beweggründe nachgewiesen werden können. Der Mann hatte eben nur seine Pflicht getan. Auch daran sollte man an einem Tag wie heute erinnern und an manches mehr. Geschichte wiederholt sich nicht. Sind wir sicher? “Es ist geschehen – folglich kann es wieder geschehen“, schrieb der Auschwitz -Überlebende Schriftsteller Primo Levi. Längst gehört Antisemitismus wieder zum Alltag in Deutschland. Er ist nicht nur dann und wann zu hören. Der Faschismus kam nicht über Nacht, seine Gedanken verschwanden nicht mit seinem Ende. In vielen Parlamenten erheben heute Nachbraune ihre Stimme, auch auf der Straße. Überall erstarken sog. Populisten. In Polen, Skandinavien, Tschechien, Ungarn, Österreich, Frankreich nicht zuletzt in Deutschland. Besorgniserregende Entwicklungen. In Sachsen stellt die AFD – alles andere als eine Alternative für Deutschland – die stärkste Fraktion. Im Bundestag sind ihre dumpfen Parolen zu hören. In deutschen Landen hört man sie grölen. Deutschland den Deutschen. Gesundes Volksempfinden, auf das sich einst die Nazis beriefen? Der Anführer der AFD, Gauland, ist tief mit der braunen Vergangenheit verwurzelt, meinte er doch, wir, die Deutschen könnten stolz sein auf unsere Soldaten. Er meinte ausdrücklich jene, die da auf Befehl und auch willig Europa überfallen, die Welt in Brand gesetzt hatten, also die Deutsche Wehrmacht, die SS. Für ihn, auch Fraktionschef der AFD im Bundestag, waren ja sowieso Hitler und seine Helfer nur ein Vogelschiss in, wie er sagte, in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte. 6 Millionen Juden ermordet. 50 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg, von Hitler und den Seinen entfesselt. Ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte. Der Gauland hat da wohl noch ein paar weitere Kapitel übersehen. Das ist der Geist, der Ungeist der Vergangenheit in der Gegenwart. Das ist der Weg zurück. Gauland ein Hetzer übelster Sorte, so Ralf Stegner, SPD Vize, der den Ausschluss von Gauland aus dem Bundestag forderte. Recht hat er. Schon droht die CSU sich noch weiter nach rechts zu öffnen. Um Rechts zu bändigen, um nicht noch mehr Stimmen zu verlieren. Der Herr Seehofer…Dann steht ja einer zukünftigen Koalition nichts mehr im Wege.
Mann könnte stundenlang über die Probleme im Nahen Osten reden, auch über die Politik Israels, auch Kritik üben. Aber Kritik ist nicht gleichzusetzen mit Antisemitismus, wie es so manche unterstellen. Ich übersehe und überhöre aber auch nicht Stimmen, Hasstiraden und Angriffe aus der moslemischen Welt, auch hier in Berlin. Stimmen, die judenfeindlicher nicht sein können. Und nicht nur Stimmen. Antisemitischer Alltag. Aufstehen gegen Antisemitismus und Rassismus in Deutschland, Europa und überall. Noch ist Zeit.
Novembertage in Deutschland die in die Geschichte eingingen. Auch hoffnungsvolle darunter.
9. November 1918.
Kieler Matrosen hissten Rote Fahnen, Schluss mit dem Krieg. Der Kaiser musste gehen, aber die Generale blieben, und nicht nur die. Kurz der Traum von einer freien sozialistischen Republik Deutschland wie sie Karl Liebknecht vor dem Stadtschloss in Berlin verkündete. Zu viel für die SPD – Führung, die Scheidemann auf den Balkon des Reichstagsgebäude rief. Sozialismus wo kommen wir da hin. Hatte nicht Ebert gesagt, er hasse nichts mehr als die Revolution. Also verkündete Scheidemann in aller Eile die Deutsche Republik. Und schon stand ein Noske bereit, im Bündnis mit Freikorps und Reichswehr. “ Einer muss der Bluthund sein” Wieder einmal lief die Geschichte rückwärts. Kommunisten und Sozialdemokraten fanden nicht zusammen. Wie sollten sie auch nach 1914 und 1918. Schließlich Weimar, für viele die ungeliebte Republik. Sie hätte verteidigt werden müssen. Dann tauchte eine gescheiterte Existenz auf, ein Mann namens Hitler. Der wollte sich schon am 9.November 1923 an die Macht putschen. Er musste noch 10 Jahre warten, bis er mächtige Gönner fand, die auf ihn setzten. Deutsche Geschichte im Rückwärtsgang. Wieder einmal. Und wieder war es ein 9. November, der 9. November 1938, der Pogrome wie im Mittelalter einleitete. Die “alten” Kämpfer waren gerade in München dabei ihrer Helden vom einst zu gedenken, als die Nachricht von den Schüssen des verzweifelten Grynszpan eintraf. Für Goebbels die Gelegenheit eine Brandrede gegen die Juden zu halten. Danach die Befehle an die SA. Bei geringstem Widerstand rücksichtslos von der Waffe Gebrauch machen. Das Morden und Wüten begann. Synagogen brannten, Menschen verbrannten, bald sollte ganz Europa brennen. Das Werk der Braunen Brandstifter. Die sind wieder, noch immer, unter uns. Niemand sollte die Augen verschließen, wegsehen, weghören oder sagen, das geht vorbei. Das kann schief gehen. “Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen” schrieb schon vor Jahren der jüdische Publizist Primus Levi. Natürlich schreiben wie nicht das Jahr 33, aber nicht nur in Dresden grölen Nachbraune, angestachelt von üblen Hetzern “wir sind das Volk “ und “Ausländer raus”. Rassistisches Gebrülle. Die AFD ist ein Sammelbecken rechtet Gesinnung. Das soll nicht an so manches erinnern, das längst der Vergangenheit zugeordnet schien? Heute Realität in deutschen Landen.
Novembertage 80 Jahre nach dem Pogrom. Da liefen am 9. November 2018 Nachbraune mit ihren Losungen durch die Stadt. Der Innensenator hatte es ihnen verboten, doch deutsche Verwaltungsrichter sahen das anders, hoben das Verbot auf. Auf dem rechten Auge blind, wie schon so oft in Deutscher Geschichte?
Das und Vieles andere mehr sollten wir nicht übersehen, nicht überhören, gerade wenn wir uns an jene schreckliche Zeit erinnern, da Juden, verfolgt, gejagt, misshandelt, ermordet wurden.
Es gab noch einen Novembertag, auch der ging in die deutsche Geschichte ein. Ein Novembertag 1989, der 9. November. Ende eines Versuches auf deutschem Boden deutsche Geschichte, neu zu schreiben. Er misslang.
Monika Becker, Mitglied des BDA Treptow e.V., 2006
»Stolpern« heißt auch darauf stoßen
Am 9. Juni 2005 wurden in Adlershof die ersten zwei Stolpersteine eingeweiht. Sie liegen Dörpfeldstraße 23 Ecke Friedenstraße. Adlershofer Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Geschichte der Anna-Seghers-Schule waren beteiligt. Letztere hatten ein kleines Programm vorbereitet, dass dem Anlass angemessen war. Die Namen der dreißig jüdischen Opfer des Nationalsozialismus wurden verlesen, etwas zur Geschichte des Ortes aus dieser Zeit, vom Ortschronisten Rudi Hinte zusammen getragen, wurde verlesen. Frau Mendel, Bezirksstadträtin und Tochter eines Antifaschisten, der Jahre seines Lebens in Konzentrationslagern gelitten hatte, sprach sehr persönliche Worte. Blumen wurden nieder gelegt. Der Gemüsehändler von der anderen Straßenseite erklärte seinen Kunden, um was es denn bei der Veranstaltung geht. Leute blieben stehen, sahen sich die beiden Steine an. Vielen von ihnen wird bekannt sein, dass es bei den Stolpersteinen darum geht, sich an die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, politisch anders Denkender, Homosexueller, Bibelforscher und Behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten zu erinnern. Initiiert wurde diese Form des Erinnerns durch den Künstler Gunter Demnig. Ich bin ihm für diese Idee persönlich sehr dankbar. Durch die Verlegung der Steine in der Skalitzer Straße haben meine Großeltern ein Grab und ich einen Platz, zu dem ich gehen kann. Wenn auch nichts von ihren Körpern dort ist, so sind sie doch nicht vergessen. Menschen lesen auf der 10 mal 10 cm großen Messingplatte, dass sie dort gelebt haben und in Auschwitz getötet wurden. Vielleicht fragt der eine oder andere Anwohner nach dem Wie und Warum. Und vielleicht denken sie darüber nach, dass alle Menschen das Recht haben zu leben, egal welche Lebensweise sie haben oder wie sie religiös gebunden sind. Die ersten beiden Stolpersteine in Adlershof wurden zwei Menschen gewidmet, die hier von 1896 bis 1933 gelebt und gearbeitet haben. Wilhelm Baerwald und seine Frau Margarethe, geborene Grünberg. Sie müssen 1896, er damals neunundzwanzig, sie vierundzwanzig Jahre alt, nach Adlershof gezogen sein. Wilhelm Baerwald war seit 1896 Mitglied der Synagogen – Gemeinde Köpenick, die 1892 auf Drängen des Regierungspräsidenten von Potsdam und auf Veranlassung des damaligen Köpenicker Bürgermeisters Borgmann gegründet wurde. Viel eher wäre das auch nicht möglich gewesen. Es gab einfach zu wenige jüdische Männer in unserem Verwaltungsbezirk. Durch die Liste der wahlberechtigten Gemeindemitglieder wissen wir von Wilhelm Baerwald. Damals lebten er und seine Frau in der Bismarckstraße 6 (heute Dörpfeldstr.23), in dem Eckgeschäft, in dem heute die Optiker Hidde & Miethke arbeiten. Bis 1933 haben Baerwalds ihr Geschäft für Kurz und Weißwaren, Herrenartikel betrieben. Ob sie sich vor oder nach dem 1. April 1933, dem Tag des großen Boykotts aller jüdischen Geschäfte in Deutschland, zur Aufgabe des Geschäftes entschlossen haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Damals war er 66 und sie 62 Jahre alt. Als sie am 14.September 1942, ein dreiviertel Jahr nach der Wannsee-Konferenz , mit dem 2.großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert wurden, waren sie 75 und 71 Jahre alt. Im Gedenkbuch der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Deutschland von 1933-1945 steht, dass Wilhelm Baerwald im Mai 1943 starb. Von seiner Frau, Margarethe, ist nicht einmal der Monat oder das Jahr ihres Todes bekannt.
Monika Becker
Wo sind bisher Stolpersteine in Treptow-Köpenick gelegt ?
2003
- Für Dr. Georg Eppenstein Opfer der Köpenicker Blutwoche Salvador-Allende-Str. 43-45 mit der Merian-Oberschule und dem Bürgerverein Allende-Viertel Köpenick e.V.
2005
- Für Ehepaar Hedwig und Leo Lustig ermordet in Auschwitz
- Für Ehepaar Ingeborg und Max Seelig und Frau Selma Gotthelf ermordet in Riga Rethelstr. 6a mit der Bouche`-Grundschule
- Für Ehepaar Margarethe und Wilhelm Baerwald ermordet in Theresienstadt Dörpfeldstr. 23 Ecke Friedenstraße mit der Anna-Seghers-Oberschule
- Für Ehepaar Clara Fichtmann ermordet in Auschwitz und Leo Fichtmann erschossen in Sachsenhausen Albert-Einstein-Str. 15 mit der Anna-Seghers-Oberschule
- Für Ehepaar Rosa Bernstein ermordet in Theresienstadt und Bruno Bernstein ermordet in Auschwitz Alt-Köpenick 18 mit der Flatow-Oberschule
- Für Otto Dunkel als KZ-Häftling mit der „Cap Arkona“ am 3.Mai 1945 in der Ostsee versenkt Spreestr. 1 mit der Anna-Seghers-Oberschule, dem Archenhold-Gymnasium und dem Otto-Dunkel-Chor. Dieser Stein wurde gestohlen und am 28.10.2005 mit einer großen Kundgebung neu verlegt.
2006
- Für Pfarrer Werner Sylten ermordet im Schloss Hartheim bei Linz, Ostendorfstr. 19 auf Initiative seiner Söhne mit der Evangelischen Schule Köpenick und dem Bürgerverein Wendenschloß
- Für Mathilde Müller und die Tochter Margot Willdorf ermordet in Auschwitz, den Sohn Rudolf Willdorf ermordet in Riga Königsheideweg 269 mit der 10. Schule – Gymnasium
- Für die Brüder Franz Kirsch, gestorben im Zuchthaus Brandenburg, und Fritz Kirsch, ermordet im KZ Sachsenhausen Wassermannstr. 69, mit dem Jugend-Projekt »Kontrollverluste«
Organisatorisches
Zurzeit kostet die Verlegung eines Steins 120 €. Bisher wurde dieses Geld durch private Spenden, Sammlungen und Patenschaften aufgebracht. Für den Bezirk Treptow-Köpenick sind inhaltliche und technische Erfordernisse in einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin und den BdA Treptow und Köpenick festgelegt. Für Berlin besteht eine Koordinierungsstelle Stolpersteine mit Sitz in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die die Wünsche aus den Bezirken auf Verlegung sammelt und mit dem Künstler Demnig organisiert (Tel. 263 98 90 14, Eil: Stolpersteine@GDW-Berlin.de)