Die ersten Stolpersteine in Treptow-Köpenick

5. Juni 2023

Am 9. Juni 2005 wurden in Adlershof die ersten zwei Stolpersteine eingeweiht. Sie liegen Dörpfeldstraße 23 Ecke Friedenstraße. Adlershofer Bürgerinnen und Bürger, Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Geschichte der Anna-Seghers-Schule waren beteiligt. Letztere hatten ein kleines Programm vorbereitet, dass dem Anlass angemessen war. Die Namen der dreißig jüdischen Opfer des Nationalsozialismus wurden verlesen, etwas zur Geschichte des Ortes aus dieser Zeit, vom Ortschronisten Rudi Hinte zusammen getragen, wurde verlesen. Frau Mendel, Bezirksstadträtin und Tochter eines Antifaschisten, der Jahre seines Lebens in Konzentrationslagern gelitten hatte, sprach sehr persönliche Worte. Blumen wurden nieder gelegt. Der Gemüsehändler von der anderen Straßenseite erklärte seinen Kunden, um was es denn bei der Veranstaltung geht. Leute blieben stehen, sahen sich die beiden Steine an. Vielen von ihnen wird bekannt sein, dass es bei den Stolpersteinen darum geht, sich an die Vertreibung und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, politisch anders Denkender, Homosexueller, Bibelforscher und Behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten zu erinnern. Initiiert wurde diese Form des Erinnerns durch den Künstler Gunter Demnig. Ich bin ihm für diese Idee persönlich sehr dankbar. Durch die Verlegung der Steine in der Skalitzer Straße haben meine Großeltern ein Grab und ich einen Platz, zu dem ich gehen kann. Wenn auch nichts von ihren Körpern dort ist, so sind sie doch nicht vergessen. Menschen lesen auf der 10 mal 10 cm großen Messingplatte, dass sie dort gelebt haben und in Auschwitz getötet wurden. Vielleicht fragt der eine oder andere Anwohner nach dem Wie und Warum. Und vielleicht denken sie darüber nach, dass alle Menschen das Recht haben zu leben, egal welche Lebensweise sie haben oder wie sie religiös gebunden sind. Die ersten beiden Stolpersteine in Adlershof wurden zwei Menschen gewidmet, die hier von 1896 bis 1933 gelebt und gearbeitet haben. Wilhelm Baerwald und seine Frau Margarethe, geborene Grünberg. Sie müssen 1896, er damals neunundzwanzig, sie vierundzwanzig Jahre alt, nach Adlershof gezogen sein. Wilhelm Baerwald war seit 1896 Mitglied der Synagogen – Gemeinde Köpenick, die 1892 auf Drängen des Regierungspräsidenten von Potsdam und auf Veranlassung des damaligen Köpenicker Bürgermeisters Borgmann gegründet wurde. Viel eher wäre das auch nicht möglich gewesen. Es gab einfach zu wenige jüdische Männer in unserem Verwaltungsbezirk. Durch die Liste der wahlberechtigten Gemeindemitglieder wissen wir von Wilhelm Baerwald. Damals lebten er und seine Frau in der Bismarckstraße 6 (heute Dörpfeldstr.23), in dem Eckgeschäft, in dem heute die Optiker Hidde & Miethke arbeiten. Bis 1933 haben Baerwalds ihr Geschäft für Kurz und Weißwaren, Herrenartikel betrieben. Ob sie sich vor oder nach dem 1. April 1933, dem Tag des großen Boykotts aller jüdischen Geschäfte in Deutschland, zur Aufgabe des Geschäftes entschlossen haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Damals war er 66 und sie 62 Jahre alt. Als sie am 14.September 1942, ein dreiviertel Jahr nach der Wannsee-Konferenz , mit dem 2.großen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert wurden, waren sie 75 und 71 Jahre alt. Im Gedenkbuch der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft in Deutschland von 1933-1945 steht, dass Wilhelm Baerwald im Mai 1943 starb. Von seiner Frau, Margarethe, ist nicht einmal der Monat oder das Jahr ihres Todes bekannt.

Monika Becker, Mitglied des BDA Treptow e.V., 2006