Stolpersteine für Bertha Samson und Karl Kurt Ernicke in Plänterwald
31. Dezember 2023
Es war bereits dunkel, als sich am 9. November 2023 um 17.00 Uhr in Plänterwald vor der Moosdorfstraße 3 und 4 zahlreiche Anwohnende, Mitglieder des Bundes der Antifaschisten Treptow und der Treptower Linken, unter ihnen Bezirksstadträtin Carolin Weingart und Katalin Gennburg, Abgeordnete im Berliner Parlament, zusammenfanden. Sie waren der Einladung des BdA Treptow gefolgt, an der Verlegung von Stolpersteinen für Bertha Samson und ihren Enkel Karl Kurt Ernicke teilzunehmen.
Bertha Samson wohnte viele Jahre in der Moosdorfstraße 4, nur einige Schritte entfernt vom Treptower Park. Im Januar 1942 wurde sie gezwungen, ihr Zuhause aufzugeben, ins Nachbarhaus zu ziehen und später mit der gesamten Familie in eine sogenannte „Judenwohnung“ in Charlottenburg. Am 3. Oktober 1942, wenige Tage vor ihrem 66. Geburtstag, deportierten die Nazis Bertha Samson nach Theresienstadt. Dort wurde sie am 24. April 1943 ermordet.
Kurz nach ihr holte die Gestapo auch ihren Enkel aus der Moosdorfstraße 3 ab. Karl Kurt Ernicke hatte Einspruch eingelegt gegen die Kündigung seiner Wohnung, in die ein Nazifunktionär unbedingt einziehen wollte. Nach zweijähriger Gefängnishaft am Alexanderplatz und in Plötzensee kam er zunächst ins KZ Buchenwald und dann in dessen Außenlager Ohrdruf. Die Truppen der Allierten waren nicht mehr weit von Thüringen entfernt, als Karl Kurt Ernicke Anfang April 1945 von der SS mit einer Maschinenpistole von hinten erschossen wurde. Er war 28 Jahre alt.
„Mit Karl Kurt wurde ein mutiger und starker junger Mann viel zu früh und sinnlos aus dem Leben gerissen. Er hatte Familie, Freunde, Ziele und Wünsche. Sein Stolperstein vor seinem letzten freiwilligen Wohnort Moosdorfstr. 3 in Berlin-Treptow soll für immer an ihn erinnern“, sagte seine Nichte Susanne Ernicke. Sie war bei der Beschäftigung mit ihrer Familiengeschichte auf das Leid von Verwandten in der NS-Zeit gestoßen. Susanne Ernicke initiierte und finanzierte daraufhin für den Onkel einen Stolperstein.
Der in Treptow für Verlegungen zuständige BdA Treptow organisierte dann das Gedenken an Bertha Samson und Karl Kurt Ernicke an diesem geschichtsträchtigen Tag. In ihrer Begrüßung der rund 50 Anwesenden erinnerte Marianne Gaehtgens von der Treptower Stolperstein-Initiative auch daran, dass genau 85 Jahre zuvor, in der Nacht vom 09. auf den 10. November, die SA hier wie überall in Deutschland marodierend durch die Straßen zog und Häuser und Geschäfte zerstörte. In Köpenick steckten die Faschisten die Synagoge in Brand. Nie wieder dürfe ein solches Unrecht geschehen.
Während des Einsetzens des Steines für Karl Kurt Ernicke im Schein von Kerzen und Taschenlampen hörten die Umstehenden, auch viele junge Leute aus der Nachbarschaft, sichtlich bewegt zu, was Susanne Ernicke über den Bruder ihres Großvaters erzählte. Dass mit diesem Stein die Erinnerung an ihn erhalten bleibt, gebe ihr ein gutes Gefühl.
Nach der Verlegung lud Katalin Gennburg in ihr wenige Meter entferntes Abgeordnetenbüro zum Gespräch bei Kaffee, Punsch und Kuchen ein, bevor eine immer noch recht zahlreiche Gruppe zum Putzen älterer Stolpersteine im Umfeld der Moosdorfstraße aufbrach. Geputzt werden musste nicht mehr, das hatten bereits Nachbarn getan. Mitglieder der Treptower Stolperstein-Initiative legten auch noch Rosen
ab und verlasen kurze Texte über die Jüdinnen und Juden, derer hier gedacht wird. Mathias Ehrich erinnerte dabei erneut an die Novemberpogrome von 1938 und die Millionen NS-Opfer danach.
Susanne Ernicke war sehr berührt und beeindruckt von diesen antifaschistischen Aktivitäten, dem Engagement und der großen Aufmerksamkeit dafür und nicht zuletzt von den vielen Linken, die sie hier kennengelernt hat. Davon werde sie auch zu Hause, im Schwarzwald, berichten. Sie wolle auf jeden Fall wiederkommen – und jedes Jahr einen Stolperstein finanzieren, schrieb sie am Morgen nach diesem bewegenden Abend.
Monika Seiffert, 20.11.2023